Was gibt es heute? Ignis – oder: Der geflammte Kardinal

In der Kirche wird bekanntlich mit dem Feuer gespielt. „Gib, was uns fehlt, sei Feuer und Brot“, wurde zum Abschluss des evangelischen Kirchentags in Hannover gesungen. Nun wurden im katholischen Zentrum der Christenheit wieder ein Ofen für ein irdisches Feuer vorbereitet und ein Schornstein aufgebaut. Indirekt hat das auch etwas mit dem Höllen- und mit dem Fegefeuer zu tun. Ist das Fegefeuer ein nachtodlicher Ort der Qualen oder ein Zustand der Liebe, in dem man noch „Feuer und Flamme für Gott“ werden kann, wie einmal ein Prediger meinte? „Gott ist das ‚Letzte Ding’ des Geschöpfs. Er ist als Gewonnener Himmel, als Verlorener Hölle, als Prüfender Gericht, als Reinigender Feuer“, formulierte der Theologe Hans Urs von Balthasar kompakt in den 1950er Jahren. Vom Höllenfeuer war bei ihm keine Rede mehr, während zu gleicher Zeit andere noch darüber rätselten, ob das Feuer des Fegefeuers und das der Hölle ein und dasselbe Feuer und zugleich ein materielles Feuer sei, ein wahres und eigentliches Feuer also „derselben Art, wie das irdische“. Ein prominenter Münchener Theologe war bei diesem gefährlichen Feuerspiel eindeutig: Das Feuer sei als „ein wirkliches Feuer“ zu verstehen, als eines der „geschöpflichen Medien, die Gott für die Bestrafung des Sünders verwendet“: „Wegen der Schmerzen, die es bereitet, ist „es … Sinnbild und Werkzeug seines Zornes und seines Gerichtes, seiner Strafen und seiner Prüfungen“, so Michael Schmaus unmissverständlich.

Seit Freitagmorgen ist der Schornstein des Kanonenofens für das Konklave, wie ‚Vatican News‘ am 03. Mai 2025 höchst gewichtig verkündet, „auf dem Dach der Sixtinischen Kapelle installiert. Damit ist ein zentrales Symbol des Konklaves wieder bereit für seine einzigartige Aufgabe“. Auf Youtube wird im en détail gezeigt, wie an diesem Festtag des Heiligen Athanasios vier Männer im Blaumann den dazugehörigen Feuerofen in der Sixtina errichten. Diese Kapelle des Apostolischen Palasts ist nun Baustelle geworden – im Angesicht des Stirnwandfreskos Michelangelos, das dem Jüngsten Gericht gewidmet ist. Nach seiner Fertigstellung war es seinerzeit zum Streit gekommen, weil einige der gemalten Figuren, als obszön gedeutet, das Feuer der Begierde seiner Betrachter entfachen könnten. Entflammte Kardinäle?

Nein, „Geflammter Kardinal“, heißt es korrekt, und der gehört nicht zur Oligarchie der kirchlichen Würdenträger, sondern ist eine Apfelsorte. Sie wird auch unter dem Namen ‚Bischofsmütze‘ oder ‚Himmelhahn‘ geführt und „ist in seinen Ansprüchen an Boden und Klima sehr bescheiden, gedeiht noch in trockenen dürftigen Böden und mindergünstigen Lagen.“ Ein etwas windgeschützter Standort sei günstig, da die äuerlichsüßen „Früchte vorzeitig vom Wind abgeworfen werden können“, heißt es auf der Website von ‚Arche Noah‘ weiter. Der Pflegehinweis dort betont: „Stamm und Kronenerziehung in der Jugend wichtig“. Merkwürdigerweise gibt es neben dem ‚Geflammten roten Kardinal‘ auch die Sorte des ‚Geflammten weißen Kardinals‘. Gleichwohl weise die Frucht eine gewisse Diversität auf, sei „in der Form außerordentlich veränderlich, meist kugelig bis hochgebaut, flach bis stark gerippt […], starke Kanten machen den Apfel bisweilen dreieckig, die Hälften sind meist stark ungleich, mittelbauchig.“

„Welcher Apfel darfs denn sein? Die Frage klingt einfach. Die Antwort ist es nicht“, so beginnt ein Aufsatz von Tobias Rauser in der Frühlingsausgabe des immer lesenswerten Magazins der Kapuziner (‚cap!‘), der auch über „Äpfel aus Übersee“, „Öko-Fleisch“, „Flug-Erdbeeren“ und Tomaten handelt, die „ausschließlich mit Hilfe von Bruder Sonne wachsen“. Rauser fragt: „Wenn schon der Apfelkauf eine anspruchsvolle Angelegenheit ist, wie sieht es dann bei komplexeren Problemen wie einem Mobiltelefon aus?“. Bekanntlich müssen diese Telefonili draußen bleiben, wenn es um die Lösung eines noch komplexeren Problems, der Papstwahl, geht. Das ‚Secretum absolutum‘ umfasst nicht nur dieses Kommunikationsmedien. Ewige Verdammnis – ob geflammt oder von wirklichem Feuer entflammt oder nicht – drohe den
Kardinälen, wenn sie einen von außen eingeflüsterten Kandidaten und nicht den Anwärter wählen, der ihnen ‚von oben‘ durch den Heiligen Geist eingegeben wird, schreibt Hubert Wolf. Dass der Teufel bekanntlich auch in den Schornstein fahren kann, findet bei ihm keine Erwähnung, allerdings die für eine Kirche, die sich so situationsenthoben gibt, wichtige Info, dass „die Kardinäle erst seit rund tausend Jahren die exklusiven Papstwähler“ sind; denn der Papst wurde als Bischof von Rom von Klerus und Laien gewählt, schreibt der Kirchenhistoriker weiter: „Bis ins hohe Mittelalter war der Wechsel von einem Bischofssitz zu einem anderen verboten, weil durch die Bischofsweihe ein eheähnliches Band zwischen dem Bischof und seiner Diözese entstand. Deshalb konnten nur Nicht-Bischöfe Papst werden. Seit tausend Jahren werden hingegen nur Bischöfe gewählt, was in der Logik nichts anderes ist als Ehebruch“. Ehebrecherisch und entflammt oder auch nicht – es kommt auf die persönliche Verantwortung der Kardinäle an, bis sich mehr als zwei Drittel ihrer Stimmen auf einen Kandidaten fokussieren.

Ähnlich wie beim Apfelkauf kommt allerdings „die persönliche Verantwortung des Konsumenten [und der Konsumentinnen, MNE] an Grenzen, denn ‚es ist fast unmöglich für einen Verbraucher, die gesamte komplexe Lieferkette zu durchschauen‘“, zitiert Rauser einen Kapuzinerbruder aus Eberswalde. Ja, die armen katholischen Konsumentinnen und
Konsumenten, die bekommen auch von den komplexen sixtinischen Entscheidungskettenproduktionen nichts mit. Nach katholischer Tradition „lassen sich die Kardinäle in ihrer Wahl vom Heiligen Geist leiten. Warum der für seine Entscheidung mehrere Wahlgänge braucht, erklärt die Kirche nicht“, moniert Alexander Wulfers in der FAS vom
04.05.2025. Vor aller Augen wird eben nur das Ergebnis als „ausdrücklicher Wille Gottes inszeniert“, so Hubert Wolf. Und er ergänzt: „Die Faszination der Inszenierung des Geheimen, der Ahnung der Transzendenz in der Immanenz, ist ungebrochen, vielleicht ist sie sogar heute aktueller denn je.“