Was gibt es heute? Remember – oder: Die Franziskus-Nachspeise

Vor zwei Jahren, im April 2023, habe ich diesen Blog aus dem „Ristorante il purgatorio“ unterbrochen, nun nehme ich ihn wieder auf. Denn der Papst ist tot, und die Erinnerung an ihn lässt mich wieder zur Feder greifen, wie man altmodisch sagen würde. Franziskus ist tot, und man hatte den Eindruck, für einen Moment legt auch ‚die Welt‘ – nicht nur die katholische – eine Pause ein. Das täuscht freilich, denn für die meisten Menschen ging das Leben – anders als beim Corona-Ausbruch – weiter. Aber auch zu coronar(r)ischen Zeiten ist das gesellschaftliche Leben nicht auseinandergebrochen. Freilich sind viele Menschen gestorben. Und jetzt? Ist nicht einfach ein alter Mann gestorben wie so viele? Einer, der beim Antritt
seines Amts vor mehr als zehn Jahren, am 13. März 2013, zunächst bloß „Buona sera“ sagte?

Aber wer kann einen solchen Gruß schon von der sog. Benediktionsloggia des Petersdoms aus sprechen, auch noch vor und zu Menschenmassen? Wer von den ‚normalen‘ Menschen schickt dem „Buona sera“ ein „Fratelli e sorelle“ voraus? Das muss ein Geistlicher sein. Für wen steigt schon weißer Rauch aus einem ollen Schornstein auf, um eine Wahlentscheidung alter Männer zu signalisieren? Demokratisch ist das nicht und normal schon gar nicht – es ist nicht einfach ein alter Mann gestorben. Und es ist auch nicht einfach ein ‚normaler Papst‘ – was für ein Widerspruch in sich! – gestorben.

Mit einem einfachen „Guten Abend“ hatte noch nie ein Papst die Massen begrüßt. Und auch damit nicht: „Jetzt beginnen wir unseren Weg gemeinsam, der Bischof und das Volk, die Kirche von Rom, die allen anderen ‚in Liebe vorsitzt‘“. Und auch damit nicht: „Beten wir füreinander, der eine für den anderen, beten wir für die ganze Welt.“ Danach verneigte sich dieser Papst vor den Massen und bittet sie um das Gebet für ihn. Und auch damit hat ein Mann nach seiner Wahl zum Papst noch nicht sein Publikum entlassen: „Brüder und Schwestern, ich verabschiede mich von euch. Vielen Dank für den Empfang. Betet für mich und bis bald! Wir sehen uns bald. Morgen möchte ich die Mutter Gottes aufsuchen und sie bitten, ganz Rom zu beschützen. Gute Nacht und angenehme Ruhe“.

Tatsächlich betrat er am nächsten Morgen (14. März 2013) die Kirche Santa Maria Maggiore, wo er nun auch beerdigt wird (ist). Danach ging er in das Priesterhaus, das pikanterweise in der Via della Scrofa liegt, um seine Sachen abzuholen, denn dort hatte er immer mal wieder übernachtet, als er ‚bloß‘ Kardinal war. Via della Scrofa heißt auf Deutsch „Sauweg“ oder „Nuttenweg“. Er liegt in der Nähe einer Barockkirche mit Caravaggio-Gemälden. Anlässlich von sog. Binationalen Seminaren konnte ich jahrelang in dem mit grüngepolsterten Zimmersesseln ausgestatteten schlichten Priesterhaus mit einem Kollegen ebenfalls unterkommen, vermutlich deshalb, weil man uns für Kleriker hielt. Ärger gab es, als ein anderer verheirateter Kollege dort nach einem Doppelzimmer fragte und zusammen mit seiner Frau nächtigen wollte. Aus Strafe für sein Ansinnen wurde er angeblich – ohne seine Frau – in das dunkelste Kellerzimmer verbannt. Morgens nahmen wir mit den Klerikern ein einfaches – eben italienisches – Frühstück ein, genauer gesagt: Man saß nicht an einem Tisch, unterhielt sich nicht, jeder saß für sich allein. Auch Bergoglio? Ich bin ihm dort nie bewusst begegnet. Gemeinsam haben die Gäste des Priesterhause den Tag nicht begonnen. Freilich wusste man damals schon in Rom, dass auch Priester vieles voneinander trennt.

Drei Tage nach seiner Wahl, am 16. März 2013, traf sich Franziskus dann mit tausenden von Journalisten. Wie er sich von ihnen in der Audienzhallte verabschiedete, war auch nicht ‚normal‘: „Ich habe gesagt, dass ich Ihnen von Herzen meinen Segen erteilen würde. Da aber viele von Ihnen nicht der katholischen Kirche angehören, andere nicht gläubig sind, erteile ich von Herzen diesen Segen in Stille jedem von Ihnen mit Respekt vor dem Gewissen jedes Einzelnen, aber im Wissen, dass jeder von Ihnen ein Kind Gottes ist. Gott segne Sie“.