Was gibt es heute?
Angelus und Angela – oder: Das Tassengericht

Wer noch nicht alle Tassen im Schrank hat, dem fehlt sie vielleicht: Die Engeltasse. Engel sind Kult, ja: „Ohne Schutzengel ist alles doof“, kann man auf einer Tasse lesen. „Engel kann man nicht sehen, aber man kann ihnen begegnen“, steht auf einem Bambusbecher. Dagegen heißt es auf einer Teetasse: „I see angels without drugs“. Sichtbar oder unsichtbar: Engel – Schutzengel (‚Modell Rafael‘) und Erzengel, die in allen drei großen Religionen zu Hause sind, allerdings nicht Kerubim und Serafim – bevölkern Tassen und Becher, innen wie außen. „Heaven and Angels Espressotassen“ sind auch zu haben. Keine Schnapsidee! „St Michael the Archangel Defend Us“, so appelliert eine weiße Tasse.

Ja, „Engelbecher“ sind Kult, nicht allein Mehrwegbecher mit den ‚Blauen Engeln‘, die ja auch auf Toastern oder Toilettenpapier zu sehen sind. Es gibt auch blaue Becher mit weißen Engeln. Egbert Schlotmann, Pfarrer auf einer ostfriesischen Insel, hat sie auf dem Flughafen von Tel Aviv entdeckt und berichtet darüber in der Zeitschrift „Bibel heute“ (3. Quartal 2020), das thematisch ganz den Engeln gilt. Schlotmann, ein offensichtlich sehr spiritueller Mensch, musste nur warten, dann sah er sie: den „sitzenden Engel“, den „hörenden Engel“, den „Engel mit Reisekoffer“, den „fahrradschiebenden Engel“ und den „Engel auf dem Skateboard“. Keine Hallu, keine Visio, alle auf ‚realen‘ Kaffeebechern. Alle haben filigrane weiße Flügel auf den blauen Tassen, fliegen aber nicht.

Inzwischen gibt es auch welche ohne. „Not all angels have wings, some have stethoscopes“, steht auf einer Tasse. Auffällig ist: Die ungeflügelten Tassenengel sind eher weiblich: „Engel ohne Flügel nennt man große Schwestern“. – „Schutzengel ohne Flügel nennt man Krankenschwester“.  – „Engel ohne Flügel nennt man Altenpflegerin“. – „Engel ohne Flügel nennt man Christa“. – „Engel ohne Flügel nennt man Franziska“. – „Engel ohne Flügel nennt man Jessica“. – „Engel ohne Flügel nennt man Schwester“. – „Engel ohne Flügel nennt man Freundin“. – „Engel ohne Flügel nennt man Chefin“. – „Engel ohne Flügel nennt man Mama“. – „Engel ohne Flügel nennt man Patentante“. – „Engel ohne Flügel nennt man Friseurin“ – Eine der wenigen Ausnahme habe ich gefunden: „Schutzengel ohne Flügel nennt man Arzt“. Seit wann haben Engel ein Geschlecht? Der christliche Himmel wird nicht durch Fortpflanzung besiedelt. „ … in der Auferstehung werden sie weder heiraten noch sich heiraten lassen, sondern sie sind wie Engel im Himmel“, soll Jesus gesagt haben (Mt 22,30). Weshalb dürfen katholische Priester nicht heiraten, gibt es also den Zölibat? Und weshalb Zölibatsgegner? Wer es fassen kann, der fasse es!

Die Engel, die man am Flughafen von Tel Aviv mit den Tassen fassen kann, sind allesamt männlich, fliegen nicht, obwohl sie Flügel haben. Die weiblichen auf den Bechern haben – übrigens wie die meisten biblischen Engel (außer den strengen Keruben und Serafen) – keine Flügel, fliegen aber auch nicht. Trübe Tassen? Sprung in der Schüssel? Von allen Göttern verlassen? „Gott weiß, ich will kein Engel sein“, steht auf einem Becher geschrieben, jedenfalls, ergänze ich meinerseits: keiner, der fliegt. Im Neuen Testament wird der einzige, wirklich (!) fliegende Engel in der Geheimen Offenbarung (14, 6f) erwähnt: „Dann sah ich: Ein anderer Engel flog hoch am Himmel. Er hatte den Bewohnern der Erde ein ewiges Evangelium zu verkünden, allen Nationen, Stämmen, Sprachen und Völkern. Er rief mit lauter Stimme: Fürchtet Gott und erweist ihm die Ehre! Denn die Stunde seines Gerichts ist gekommen.“ Es ist gut, dass auch die geflügelten Engel auf den Bechern des Flughafens nicht fliegen – noch nicht. Hoch die Tassen!