Was gibt es heute?
Drei Brüder – oder: Das Seelenkontaktgericht
Es gibt Hunde mit Halsband, Rosen mit Stacheln und Taschen mit Tragegriff, neuerdings auch „Dinge mit Seele“. Nach den Menschen, Tieren und Pflanzen haben jetzt auch Sachen so etwas. Ja, bei den drei Brüdern von „Torquato“ kann man sie haben: die Seele „in den Dingen“. Torquato habe es sich „zur Aufgabe gemacht, Dinge mit Seele zu finden und sie Menschen ans Herz zu legen …“. Die philosophische Saat „über den Unterschied von ‚etwas‘ und ‚jemand‘“ (Robert Spaemann) scheint dort nicht auf fruchtbaren Boden zu fallen. Ist die „Entzauberung der Welt“, die der 1920 verstorbene Max Weber glaubte erkennen zu können und ja bereits mit dem Monotheismus begann, inzwischen vorbei? Ist die Welt keine „trockene Materie“ (Arnold Gehlen) mehr und die „geistliche“ oder „spirituelle Trockenheit“ innerhalb der Kirche nun außerhalb überwunden? Torquato als Seelen(heils)vermittler? Sind wir Zeugen der Geburt einer neuen (kapitalistischen) Religion?
Bleiben wir zunächst beim Hund, für den auch Torquato Decken „für die Rückbank“, Kissen für „den Kofferraum“, auch Bürsten, Pfeifen und Halsbänder eines Appenzeller Betriebs, „der ansonsten z.B. Riemen für Kuhglocken fertigt“, im Sortiment hat. Die „Hundepfeife ‚Silent‘“ ist auf einen Frequenzbereich einstellbar, „der für Hunde wahrnehmbar ist, für Menschen dagegen fast gar nicht“. So soll es ja sein, und so geht es auch manchmal mit der Seele.
Sie „ist etwas, was der Kopf nur schwer greifen kann“, schreibt wortwörtlich (!) eine der hilfreichen Expert*innen auf dem unendlichen Markt des Spirituellen. „Sie hat mit logischem Denken nicht viel zu tun“, schreibt sie weiter. Der Markt des Spirituellen bietet auch „Seelenkontakt“, sogar hin zu Lebewesen der Zukunft. So konnte der Wunsch einer „lieben Klientin“, „wieder einen Hund zu haben“, mit „Seelenkontakt“ erfüllt werden. Über eine Sechs-Schritte-Methode wurde „auf seelischer Ebene Kontakt zu dem Tier“ hergestellt. Ja, das geht „ohne großen Hokuspokus“, wird versprochen, denn, so heißt es mit starkem Gewissheitsakzent weiter, „die Seelen untereinander kennen keinen Streit, keine Disharmonie, keine Angst“. Menschen- und Hundeseele vertragen sich also.
Geraten wird der hundesuchenden Klientin, per Seelenkontakt „ganz praktisch und ziemlich ‚normal‘ mit ihrem zukünftigen Vierbeiner zu sprechen“, etwa so: „Hallo liebe Seele“ (Komma fehlt im Original!), „ich bin die Katrin und möchte einfach schon mal auf seelischer Ebene mit Dir Kontakt aufnehmen. Viele Jahre begleitete mich mein treuer Hund Bruno, der vor einigen Monaten gegangen ist. Ich fühle mich bereit, ein neues Wesen, Dich, in mein Leben zu lassen …“. Und: „Was passiert in einem solchen Moment?“, fragt die spirituelle Expertin, um selbst folgende Antwort zu geben: „Worte sind Energie. Unsere Gefühle sind Energie. Und genau diese Energie geben wir bewusst nach draußen in die Richtung des anderen Wesens […] Nach dem Gesetz der Resonanz, wird das Wesen, das wir ansprechen, darauf reagieren, in Schwingung, also Resonanz gehen. Wir können also davon ausgehen, dass etwas passiert und unsere Worte nicht im Leeren verhallen“. Als letzten Schritt empfiehlt die spirituelle Expertin: „Wachsam sein! Augen und Ohren offen halten! Empfangen …“.
Ich frage mich, ob diese Methode auch für die „Dinge mit Seele“ klappt. Die drei Brüder von Torquato behaupten, wir könnten auch „eine Beziehung“ zu Produkten aufnehmen, und „wir gehen mit ihnen einen Verbindung ein, die vielleicht sogar ein ganzes Leben lang dauert“. So versuche ich es mal mit jenem Seelenkontakt: ‚Hallo, liebe Seele (Komma korrekt), ‚ich bin der Michael und möchte einfach schon mal auf seelischer Ebene mit Dir Kontakt aufnehmen. Viele Jahre begleitete mich mein Teppich, der vor einigen Monaten entsorgt wurde. Ich fühle mich bereit, ein neues Wesen, Dich, in mein Leben zu lassen …“. Augen offen halten, während man im neuen Katalog von Torquato auf die Seite 119 („Teppiche Aquinnah“) blättert! Und: „Empfangen …“?
Der spirituellen Meisterin sei Dank, gibt sie doch kostenlos den weisen Rat: „Manchmal passiert scheinbar gar nichts. Manchmal ganz viel. Beides ist absolut ok und sollte nicht überinterpretiert werden“.