Was gibt es heute?
Englische Brocken – oder: Schwindeliges auf der Himmelsscheibe

Es gibt Menschen, die lassen sich – wie der George-Jünger und Moselwein-Trinker Ernst Kantorowicz – mit einem Korkenzieher beerdigen, und andere Jünger werden schon zu Lebzeiten nach oben geschraubt. Ja, die gab es und die gibt es. Und heute? Heute offerieren wir das Brocken-Gericht mit Engel- und Götterspeise auf einer Himmelsscheibe vorweg, mit Frei-Burger am Ende des Menüs. Wir fangen also steil an. Vorsicht: Schwindelgefahr! Zur Begleitung dazwischen empfehlen wir, einen spritzigen „Halleluja“ (weiß) aus Worms zu entkorken, und einen „Magna Cum laude“ (rot), Jahrgang 2016, aus dem Hause BANFI. Schwere Kost muss verdaut werden. Unsere Empfehlung: Eine feurige Grappa mit sanftem Abgang als Vorgeschmack auf das wahre Purgatorium. Ja, das gibt es.

 

Antipasti: Engel- und Götterspeise

Priester, so heißt es im nachtridentinischen Vorgänger des heutigen Weltkatechismus, dem Catechismus Romanus, werden durch die Weihe in die „Vortrefflichkeit und Erhabenheit“ eines „Standes“ der „Dolmetscher und Botschafter Gottes“ versetzt, die „in seinem Namen die Menschen das göttliche Gesetz und die Lebensvorschriften lehren, und selbst die Person Gottes auf Erden vertreten“. Sie werden deshalb „mit Recht nicht nur Engel, sondern auch Götter genannt“ (Catechismus Romanus). Ja, das steht da immer noch so.

 

Brocken 1a: Hirten-Herz

„Während der Ausbildung zum Priestertum des Dienstes ist der Seminarist auch sich selbst gegenüber gleichsam ein ‚Mysterium‘“ (Das Geschenk der Berufung zum Priestertum, 2016, Nr. 28). – „Der Priester ‚lernt Christus nicht nur kennen‘, sondern befindet sich unter dem Wirken des Heiligen Geistes innerhalb eines Prozesses gradueller und kontinuierlicher Gleichgestaltung mit Ihm im Sein und im Handeln …“ (dto.Nr. 80). – „Die Bedeutung der menschlichen Formung in der Priesterausbildung kann nie genug betont werden. Die Heiligkeit eines Priesters fügt sich in sie ein und hängt großenteils von der Echtheit und Reife seines Menschseins ab …“ (dt. Nr. 63).– Es besteht für einen Priester die „Gefahr, sich als Funktionär des Heiligen zu fühlen: das Verrinnen der Zeit, das im Priester das Gefühl erzeugt, sich gleichsam als Angestellter der Gemeinschaft oder als Funktionär des Heiligen ohne Hirten-Herz zu fühlen …“ (dto. Nr. 84).

 

alternativ:

Brocken 1b: Lammrücken

Mit xy „verliert unsere Diözese einen Bischof, der als guter Hirte aufmerksam auf die ihm anvertrauten Schafe gehört hat …“ (Todesanzeige eines deutschen Bistums 2020)

 

Brocken 2a: Stella (vegetarisch mit Süßkirsche)

In „problematischen pastoralen Umständen kann der Bischof, um das christliche Leben zu stützen und um die missionarische Sendung der Gemeinde fortzusetzen, einen Diakon, einen Gottgeweihten oder einen Laien oder auch eine Gemeinschaft von Personen (beispielsweise einen Orden oder eine Vereinigung) an der Ausübung der Hirtensorge einer Pfarrei beteiligen. Diejenigen, denen auf diese Weise eine Beteiligung an der Ausübung der Hirtensorge der Gemeinde anvertraut wird, werden durch einen Priester, der mit den entsprechenden Befugnissen ausgestattet und ‚Moderator der Hirtensorge‘ ist, koordiniert und geleitet. Ausschließlich ihm kommen die Vollmacht und die Funktionen des Pfarrers mit den entsprechenden Pflichten und Rechten zu, obwohl er dieses Amt nicht innehat“ (Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche,Juni 2020, Nr. 87f).

 

alternativ:

Brocken 2b: Stella (deftig mit Kartoffeln)

„Gleichermaßen illegitim und nicht ihrem kirchlichen Stand entsprechend sind im Hinblick auf die genannten Gläubigen und Diakone auch Formulierungen wie ‚übertragen der Hirtensorge einer Pfarrei‘, ‚die Pfarrgemeinde leiten‘ und andere ähnliche, die sich auf die Eigenart des priesterlichen Dienstes, die dem Pfarrer zusteht, beziehen“ (Die pastorale Umkehr der Pfarrgemeinde im Dienst an der missionarischen Sendung der Kirche, Juni 2020, Nr. 96).

 

Dessert: Frei-Burger (kalt)

„,Wofür sind wir da?‘ – Diese Frage stellen sich viele Priester. Denn die Kirche in unserem Land befindet sich in einem radikalen Wandel. Traditionelle Erwartungen gehen einher mit den vielfältigen gesellschaftlichen und zugleich kirchlichen Veränderungsprozessen. Bisherige ,pfarrerfixierte‘ Priesterbilder und -rollen passen nicht mehr und brechen zusammen“ (Impulspapier des Priesterrats der Erzdiözese Freiburg, Zur Identität des Priesters, Freiburg 2020).

 

Dessert: Frei-Burger (warm)

„Als Mitglieder des Presbyteriums des Bischofs tragen die Priester in der Vielfalt ihrer Rollen und Lebensumstände dazu bei, dass das ganze Leben der Gläubigen Sakrament wird“ (Impulspapier des Priesterrats der Erzdiözese Freiburg, Zur Identität des Priesters, Freiburg 2020).

 

Una grappa, per favore: Kennen Sie die Frage des französischen Soziologen Pierre Bourdieus, was einen Papst, einen Präsident oder einen Generalsekretär von einem „Größenwahnsinnigen“ unterscheidet, „der sich für einen Papst oder einen Generalsekretär oder genauer: für die Kirche, den Staat, die Partei oder die Nation hält“? Bourdieu antwortet selbst, dass man den Papst, Präsidenten oder Generalsekretär „im allgemeinen ernst nimmt und ihm damit das Recht auf diese Art von ‚legitimem Schwindel‘ […] zuerkennt“ (Pierre Bourdieu, Die verborgenen Mechanismen der Macht, Hamburg 1992, 86). Immer mehr Kirchenmitgliedern (in Deutschland) scheint es schwindelig zu werden …