Was gibt es heute?
Sau – oder das Rampen-Gericht
Es waren wohl seine letzten Worte in der SWR-1-Reihe ‚Begegnungen‘ am letzten Sonntag im Oktober 2021. Thomas Knöller verstand es mal wieder, jemanden zum Sprechen zu bringen, diesmal einen Wirt und Landwirt und zugleich Küchenchef (https://www.kirche-im-swr.de/?page=beitraege&sendung=2). Dessen Großvater hatte schon vor 70 Jahren auf biologisch-dynamischen Anbau umgestellt. „Nachhaltig und gesund“ war er mit seinen Familienangehörigen seiner Zeit voraus, stand gegen den Trend, also im Gegenwind. Auch sein Enkel Simon musste Demütigungen erleben: „‚Birkenstock‘ oder ‚‚Grünkernfresser‘ waren noch die harmloseren Schimpfwörter“. Seine Mutter war zudem noch ‚Gesundheitsberaterin‘, von der es „immer Dinkel und alles mit Honig gesüßt“ gab. Aus damaliger Sicht schräg, aus heutiger Sicht war sie eine aufrechte Öko-Pilotin, der ihre Kinder bis in die Gegenwart zuckerlos nachfolgen. Nicht, indem sie sie kopieren, sondern sich von ihr inspirieren ließen, d.h. aus ihrem Geist heraus kreativ geworden sind.
„Danke, Mama“, sagt Simon, einer der Söhne, der heute ein Bio-Spitzenkoch ist, 2020 „weltweit das erste Demeter und Bioland Fine-Dining Restaurant“ eröffnet hat und mit einem „CO2 Menü© eine kulinarische Einzigartigkeit“ bietet. So steht es auf der Homepage (https://www.tress-gastronomie.de/aktuelles/bio-fine-dining-restaurant-1950/). Im 1950 – so heißt das Restaurant – werden fünf Gänge vegetarisch gekocht: „Wir gehen nicht weiter als 25km Radius für alle Zutaten, bis auf Salz, wir machen unsere Sahne selber, machen unsere Butter selber, machen alle unsere Öle selber, usw.“. Im 1950 gibt es „Fleisch […] maximal als Beilage. Der Star ist das Gemüse“, kommentiert Thomas Knöller. Und der fragt den Simon weiter, ob denn für ihn Gott ein Koch sei, wenn schon „die Natur den Teller macht“.
Simon will sich nicht die selbst gemachte Butter vom Brot nehmen lassen und antwortet: „Äh, nö. Gar nicht. Überhaupt nicht“. Gott in der Kochrolle ist dem Spitzenkoch zu wenig. Und sich Gott mit einem Michelinstern, gar einem Genderstern vorzustellen, wie das kürzlich ein katholischer Jugendverband vorgeschlagen hat („Gott*“), weil angeblich immer mehr Gläubige von der Vorstellung eines männlich patriarchalen, weißen Gottesbildes befremdet seien (https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2021-10), kommt dem Spitzenkoch gar nicht in den Sinn. Er glaubt vielmehr, „der Herrgott ist für uns alle da. Und es ist halt egal, was du machst, egal! Also ich glaube, der ist ein richtiger Tausendsassa. Wirklich, ich glaub, der ist so eine richtige Rampensau.“
Vater unser ‚ne Rampensau? Simon Tress, der „keine schöne Kindheit“ gehabt hat, ist ein „brutaler Familienmensch“, getragen von der „Liebe von uns Brüdern“. Das sagt er selbst. Dass er seine Natur-Sorge mit der Gottes- und Menschensorge in Verbindung bringt, ist für manche schon eine Überraschung. Aber dass er Gott nicht ‚Vater‘ oder ‚Schöpfer‘ nennt, sondern mit einem Determinativkompositum aus Rampe und Sau, das überrascht selbst mich. Auch für Knöller, der es mag, sich Gott „als herzlichen Gastgeber vorzustellen“, scheint Gott jedenfalls kein Langeweiler zu sein. Danke für den letzten Begegnungsauftritt auf der SWR-Rampe. Und: Danke, Simon Tress. Sie haben am Reformationstag das gängige theologische Menü anstößig erweitert. Tausendsassa klingt weiblich, ist aber männlich. Rampensau ist weiblich.