Was gibt es heute?
Habushu – oder das Trance-Gericht

Wäre das Paradies in Japan gewesen, wären wir vielleicht nicht aus ihm vertrieben worden. Die verführend-verführerische Schlange wäre eiskalt vernichtet worden. Ihr tödliches Gift und alles andere Giftige, was sich Menschen antun, wäre in Wohl verwandelt worden. Denn die giftige Schlange wird in Japan in Alkohol eingelegt, damit sich ihr Gift inaktiviert und genießbar ist. Reisschnaps wird mit Honig und Kräutern versetzt, und damit wird er goldgelb.

Zwei Verfahren hätten Adam und Eva dann anwenden können: die Schlange im Alkohol ertränken und die Flasche versiegeln. Im anderen Verfahren wird die Schlange mit Eis betäubt, bis sie in Ohnmacht verfällt, aufgeschlitzt, ausgenommen, also von ihren Innereien befreit, und wieder zusammengenäht. In einer alkoholischen Lösung eingelegt, verbringt sie dann noch 40 Tage. In eine Flasche gesteckt, kommt der gereifte Reisschnaps (zerstampfter Reis mit Schimmelpilz) hinzu. Eva und Adam hätten dann den Schnaps verkaufen oder verschenken können, mit oder ohne Schlange in der Flasche. So wäre Markt oder Gemeinwohl entstanden.

Und die Religion? Das Paradies mit Schlangenschnaps wäre dann selbst das Heil geblieben. Und bevor sie sich zu sehr an den Alltag des für uns außeralltäglichen Paradieses gewöhnt hätten – wir Menschen wollen ja immer mehr – , wären man mit dem Schlangenschnaps in die ‚Selbsttranszendenz‘ gegangen, also in eine große Transzendenzerfahrung. Religion wäre dann etwas anderes geworden als das, was wir heute so kennen. Max Weber nennt die Orgie „die urwüchsige Form religiöser Vergemeinschaftung“ (Wirtschaft und Gesellschaft). Die Orgie ist die soziale Form der Ekstase, also kein Dauerzustand. Adam und Eva hätten freilich aufpassen müssen, dass keines ihrer Kinder und Kindeskinder die Ekstase „als Objekt eines ‚Betriebs‘ in Pacht“ nehmen und darauf ein Herrschaftsverhältnis aufbauen würden. So etwas kam ja häufig vor in der Religionsgeschichte. Interessant noch die Bemerkung bei unserem Klassiker der Soziologie und Religionssoziologie: „Auf Grund der Erfahrungen an den Zuständlichkeiten bei Orgien und sicherlich überall in starkem Maße unter dem Einfluss seiner Berufspraxis vollzieht sich die Entwicklung des Denkens zunächst zu der Vorstellung von der ‚Seele‘ als eines vom Körper verschiedenen Wesens, welches hinter, bei oder in den Naturobjekten in ähnlicher Art vorhanden sei, wie im menschlichen Körper etwas steckt, was ihn im Traum, in Ohnmacht und Ekstase, im Tode verlässt“.

Ja, und so ging es dann weiter, bis Niklas Luhmann um die Jahrtausendwende dann wieder fragen sollte: Warum überhaupt „Sakramente, aber nicht Inszenierung von Trancezuständen? Warum zeitlich vertagte Erlösungshoffnungen, aber keine gegenwärtig hilfreiche Magie?“ (Die Religion der Gesellschaft, 2000). Tja. Warum? Die Antwort ist klar. Wozu? Die Antwort bleibt offen.