Was gibt es heute?
Nebelbrüder – oder: das Sonnengericht

In früheren Zeiten hat man hinter Blitz und Donner den unsichtbaren Gott vermutet. Hinter dem Nebel, so wissen wir jetzt, steht eindeutig ein Kardinal. Auf der Hinterbühne ließ er gern die Drähte nach Rom erglühen und inszenierte sich auf der Vorderbühne auch liebend gern als rettende Lichtgestalt. „Brüder im Nebel“ hat er diejenigen genannt, die er für andere unsichtbar machen wollte. „Jedenfalls“, so heißt es in einem gestern veröffentlichten Gutachten, das mit peinlicher Hochspannung erwartet wurde, führte „Erzbischof Dr. Meisner […] nach Angaben des Erzbistums zusätzlich einen separaten Aktenordner mit dem Titel ‚Brüder im Nebel‘, in dem er geheimhaltungsbedürftige Unterlagen aufbewahrte“ (Pflichtverletzungen von Diözesanverantwortlichendes Erzbistums Köln im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen und Schutzbefohlenen durch Kleriker oder sonstige pastorale Mitarbeitende des Erzbistums Köln im Zeitraum von 1975 bis 2018, Seite 27).

Dass Männer mit bestimmten sexuellen Neigungen mittels Temperaturmetaphern stigmatisiert wurden (‚Warme Brüder‘), weiß man ja. Aber Brüder ‚im Nebel‘? Kirchliche Kreise neigen ja zu Metaphern, gern auch zu Biometaphern, doch eine solche war mir bislang unbekannt. Auf der Suche nach einer Antwort greife ich zu einer Kinderseite im Internet, denn es geht ja um die ‚Missbrauch von Minderjährigen‘. Im Internet bestätigt eine ‚Nela‘ schon 2010: Auch „für Kinder ist schwer zu verstehen, was Nebel ist“ (https://www.nela-forscht.de/2010/11/02/nebel-was-ist-das/). „Nebel besteht wie Wolken aus klitzekleinen Wassertropfen“, belehrt sie weiter. Wolken befänden sich jedoch „oben am Himmel, während Nebel weiter unten – nah am Boden – anzutreffen ist“. Meisners separierte „Brüder im Nebel“ rangieren also nicht ‚oben am Himmel‘, schlussfolgere ich, sondern es sind Männer, die ‚weiter unten‘ operieren, aber noch nicht ganz ‚am Boden‘ liegen. Es sind wohl nicht „die Ruchlosen unter euren Fußsohlen“, die „zertreten zu Asche werden“ (Mal 3, 21).

„Durch die wärmende Sonne verdunstet tagsüber das Wasser“, schreibt Nela weiter: „Dieses verdunstete Wasser befindet sich jetzt als Wasserdampf in der Luft. In den kalten Nächten kühlt sich die Luft stark ab – viel stärker als im Sommer. Das führt dazu, dass das darin enthaltene Wasser wieder flüssig wird (kondensiert). So bilden sich klitzekleine Wassertropfen in der Luft: Nebel“. Auch Nela verwendet eine Metapher, aber eine Technometapher, wenn sie Kinder – wortwörtlich – als „‚Nebelmaschine‘“ beschreibt: „Kleine Mengen Nebel produzieren Kinder [,] wenn es kalt ist [,] ganz automatisch. Wenn sie ihre warme und feuchte Atemluft ausatmen, bildet sich direkt vor ihrem Mund eine Nebelwolke. Diese hält sich jedoch nicht lange, weil die winzigen Wassertröpfchen schnell verdunsten“. Hat Joachim Nela gelesen?

„Wenn die Luft durch warme Sonnenstrahlen wieder erwärmt wird“, lese ich bei Nela dann 2011, „löst sich der Nebel auf“ (https://www.nela-forscht.de/2011/11/09/warum-l%C3%B6st-sich-der-nebel-nicht-auf/). Im Herbst und Winter wird das schwieriger, weil „die Sonnenscheindauer immer mehr abnimmt […], weil die Tage immer kürzer und die Nächte immer länger werden.  Zum anderen steht die Sonne nicht mehr so hoch am Himmel […] Im Herbst finden wir sie zur Mittagszeit eher schräg oben vor uns, im Spätherbst steht sie noch tiefer, im Winter am tiefsten. Je tiefer die Sonne steht, desto schräger fallen die Sonnenstrahlen auf die Erde, desto weniger Sonnenstrahlen erreichen uns“.

Ist immer noch ‚Winter der Kirche‘ (Karl Rahner, Glaube in winterlicher Zeit, 1986)? Beginnt sich 2021 der dichte Nebel weiter zu lichten? „Lumen gentium“? „Vos estis lux mundi“? Wird es Frühling werden, gar „die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen“, so dass wir „hinausgehen und Freudensprünge machen, wie Kälber, die aus dem Stall kommen“, wie ein prophetischer Text (Mal 3,20) verheißt? „Brüder, zur Sonne, zur Freiheit“, möchte ich singen, aber nur überlagert durch ein anderes, zudem ökumenisches Lied: „Sonne der Gerechtigkeit, gehe auf zu unsrer Zeit; brich in Deiner Kirche an, dass die Welt es sehen kann“ – und: „Erbarm Dich, Herr“.